Kärnten - mit Hygienekonzept
Bericht von Gerlinde Gregori
Die Internationale Kultur- und Begegnungswoche für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen fand vom 22. - 29. August 2020 statt. Erst Mitte Juni hatten wir definitiv geklärt: Ja, wir fahren nach St. Georgen am Längsee. Die Teilnehmenden haben sich bewusst entschieden. Die Corona bedingten Vorgaben in Deutschland, Österreich, Italien, der Schweiz, im Reisebus und im Hotel waren immer im Blick. Letztlich hatte das Hygienekonzept sogar einen eigenen Koffer beansprucht…
Keine Vorfahrt im März, Ausarbeitung des Programms erst Ende Juni - keine Ahnung, worauf ich mich da eingelassen habe! Aber es tat auch gut, nach all den Absagen, Verschiebungen, Telefon- oder Videokonferenzen mal wieder etwas leibhaftig planen, vorbereiten und schlussendlich auch durchführen zu können. Gespannt waren wir alle - die TBLs mit ihren Assistenten, Dolmetscher, Gästeführer, Hotelpersonal, Busfahrer und wer sich auch immer mit uns getroffen hat…
„Entdeckergeist und geheimnisvolle Plätze - Abenteuer Kärnten“
Vorgespurt hatte Irmgard Uhl vom Blindenapostolat Österreich die Woche in diesem Jahr. Da sie aber aus den bekannten Gründen selbst nicht teilnehmen konnte, blieben ihr Wohlwollen und Raten fürs Programm und die Begleitung der Woche aus der Ferne. Aus Österreich hatten wir zwei Teilnehmende mit ihren Assistenten, aber noch eine ganze Reihe Mitarbeitende, die bei der Durchführung unerlässlich wurden. Ein Teilnehmer kam aus Südtirol, und 15 TBL waren aus den verschiedenen deutschen Bundesländern angereist. Mit unseren drei Gästeführerinnen Vera, Susanne und Elke hatten wir verlässliche Information, gute Organisation vor Ort und liebenswerte Begleiterinnen. Das Dream-Team Almuth, Susanne und Sibylle im Dolmetscheinsatz bekam unerwartet Verstärkung durch Isabel, die u.a. bei einer Stadtführung ihren Dienst als mobile Schriftdolmetscherin leistete. Dass auch dies eine Möglichkeit der Kommunikation sein kann, war mir „mobil“ noch nicht begegnet. Bleibt Maxim noch zu erwähnen, der unseren Bus von Anfang bis zum Schluss gut betreute und uns zu all unseren Zielen brachte.
Wir brauchten aber noch einen Kleinbus: Danke für den Fahrdienst, für alles Mitdenken und vor Ort organisieren (und mich begleiten) an Eva, die in St. Georgen wohnt - und mir dadurch viel Kopfzerbrechen und schlaflose Nächte im vorhinein vermeiden half.
Erfüllte Tage
Unser Quartier hatten wir im Stift St. Georgen, einem ehemaligen Benediktinerinnenstift in der Gemeinde St. Georgen am Längsee. Es feierte im Jahr 2003 sein 1000-jähriges Bestehen. Heute dient es als Hotel und Tagungshaus der Diözese Klagenfurt-Gurk. Direktor Pfarrer Thomas Stromberger erläuterte uns am Sonntag die wechselvolle Geschichte und den Kirchenraum mit dem barocken Altar, während der ehemalige Gärtner Stefan Bertram uns durch die großen Gartenflächen begleitete. Streuobstwiesen, Kräutergarten für die Küche, Arzneigarten für die Klosterapotheke - Oase für Ruhesuchende…
Am Montag besuchten wir die Landeshauptstadt Klagenfurt bei Regen und fanden einmal mehr „Kirchenasyl“ im Dom. Am Nachmittag war die große Welt ganz klein: Wir waren zu Gast im MINIMUNDUS und erlebten weltberühmte Bauwerke auf Maßstab 1:25. Es gab vorbereitete Objekte zum Anfassen und Besuche auch hinter den Absperrungen. Eine Einrichtung, die groß und klein begeistert und nebenbei ein Kinderprojekt fördert.
Der Pilgerberg im Drei-Länder-Eck Slowenien - Italien - Österreich war das Ziel am Dienstag: Auf dem Monte Lusschari wird ein Marienbild verehrt, das nach dreimaligem Auffinden und Verbringung ins Tal letztlich doch seine Bleibe in einer kleinen Pilgerkirche am Berg gefunden hat und jährlich viele Wallfahrer aus den drei Ländern und natürlich auch Touristen anzieht. Mit der Kabinenseilbahn ging es auf etwa 1.800 m bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Gute Laune pur. Wieder in Camporosso und auf dem „Boden“ angekommen, ging die Rückfahrt über Villach: Wir spazierten durch die charmante Altstadt an der Drau mit ihrem mediterranen Flair.
Der Mittwoch war ganz anders: Natur und Eintauchen in die Geschichte waren angesagt. Die Keltenwelt in Frög, mitten im Wald gelegen, versucht, durch die Funde der Hallstatt-Kultur Geschichte lebendig werden zu lassen. Die Besiedelung vor 3.000 Jahren - vor der Römerzeit - war auf hohem Niveau und bezeugt viel Kunstfertigkeit. Während die einen bei den Kelten viele Nachbildungen der Ausgrabungen betrachten konnten, waren die anderen in Kärntens größtem Tierpark. Schloss Rosegg war dann unser Ziel (Gruppe I) am Nachmittag. Wir besuchten Damwild, Goldschakal, Esel und Ziegen in großen naturbelassenen Gehegen. Der Zaun am Streichelzoo hat schon auch seinen Zweck - aber das der Geißbock einen Giraffenhals bekommt und mir die Futtertüte aus der Hand klaut, während ich mit der anderen gerade eine kleine Ziege füttere - tja…
Der Wörthersee, Tourismusmagnet, Filmschauplatz und weltberühmte Architektur: Am Donnerstag ging es über Klagenfurt (am Wörthersee) mit dem Bus entlang bis Velden. „Santa Lucia“ hieß unser Fahrgastschiff, das uns an Pörtschach vorbei zur Halbinsel Maria Wörth brachte, zu den beiden kleinen Kirchen und letztlich zum Mittagessen. Zurück in St. Georgen blieb Zeit für ein Bad im Längsee.
Der Freitag brachte den einen Teil der Gruppe zu Fuß zur Burg Hochosterwitz mit ihren 14 Toren, architektonische Meisterleistung früherer Jahrhunderte. Ein anderer Teil ließ sich mit dem Bus dorthin fahren und nahm den Schräglift auf die Burganlage - auch die moderne Technik ist dort angekommen! Der dritte Teil besuchte St. Veit an der Glan, ehemals Landeshauptstadt (bis 1518). Auch heute noch eine schmucke Stadt mit einem geschlossenen Altstadtensemble mit Brunnen, Pestsäule, Kirchen und herrschaftlichen Häusern. Bei Kärntner Kasnudeln in der Burgschenke trafen sich alle drei Gruppen wieder. Den Abschluss am Nachmittag bildete der Besuch im Dom zu Gurk mit den weithin sichtbaren Doppeltürmen. Eindrucksvoll der älteste Teil, die Krypta mit ihren hundert Säulen und dem Hemma-Grab.
Zum Schluss…
Frischgebacken am Morgen und am Abend: Reindling (aus Hefeteig), Strudel oder Stiftsbrot aus der Stiftsbäckerei, Kulinarisches aus der Hotelküche oder wo immer wir zu Mittag waren - auch das war eine Reise wert!
Heinz Kellner vom Blindenapostolat Österreich hat uns von Montag bis Donnerstag begleitet. Radio Kärnten hat die Gruppe mit dem Mikrofon eingefangen. Viele Kontakte wurden geknüpft oder wieder neu belebt - vielleicht nicht ganz so intensiv wie sonst: „Corona war immer dabei…“ Und Lormen mit Abstand ist schwierig…
Gottesdienst feierten wir mit Pfarrer Johannes Staudacher, Gehörlosenseelsorger für das Bistum Gurk. Ausgehend von der Frage Jesu im Sonntagsevangelium: Wer bin ich für Euch?, hieß es in seiner Predigt: Wir brauchen den Dolmetscher zum Übersetzen. Jesus ist für uns Übersetzer von Gottes Wort. Er erklärt uns den Willen des Vaters und wie wir leben, handeln sollen. - Wir brauchen Menschen, die uns helfen - Assistenten. Jesus ist für uns Assistent, er hilft, er begleitet, er unterstützt. Er ist für uns da.
Ein guter Einstieg für die Woche, in der jeder auf jeden verwiesen war.